Wasserstoff, Klimaschutz und Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern sind die Leitwörter des Jahres 2022. In der VG Birkenfeld am Umwelt-Campus Birkenfeld startet jetzt ein Projekt, welches für diese Themen ganz konkrete und praktikable Lösungen anbietet.
Der Umwelt-Campus Birkenfeld ist bereits eines der größten (Bio-) Energiedörfer Deutschlands und seit über 25 Jahren unabhängig von fossilen Energieimporten. Energie (Strom, Wärme, Kälte) für ca. 2.800 Studierende, Mitarbeiter und Lehrende kommt bereits seit 25 Jahren aus lokalen und regionalen Energieträgern (Biomasse, Solarenergie und Geothermie). Dadurch belegte der Umwelt-Campus im internationalen GreenMetric-Ranking 2021 unter 918 Universitäten einen hervorragenden 6. Platz weltweit und bleibt national im vierten Jahr in Folge auf Platz 1 in Deutschland.
Aber dennoch sind noch nicht alle Potenziale für die Energiewende genutzt.
Mit dem Wasserstoffprojekt zeigt die VG Birkenfeld in Zusammenarbeit mit Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) und dem Kompetenzzentrum Brennstoffzelle Rheinland-Pfalz am Umwelt-Campus exemplarisch, wie Planung und Umsetzung von regionalen Wasserstoffpotenzialen ganz praktisch funktioniert. Wo gibt’s Überschüsse an erneuerbarem Strom? Zu welchen Kosten kann dieser in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert werden? Und wer wird den neuen Energieträger in der Region sinnvoll nutzen können?
In enger Kooperation mit den Professoren Dr. Heck und Dr. Hoogers des Umwelt-Campus Birkenfeld ist es der VG Birkenfeld gelungen, ein zukunftsweisendes Projekt für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur am Umwelt-Campus Birkenfeld zu akquirieren. Das Bundesumweltministerium fördert den Bau eines Elektrolyseurs, von Brennstoffzellen, von Speicheranlagen, einer H2-Tankstelle sowie einen Wasserstoffbus mit insgesamt 4,6 Mio. Euro. Die Anlagen werden über ca. 40 Monate installiert, überwacht und optimiert. Diese Arbeiten werden am Umwelt-Campus von den beiden Professoren Heck (IfaS) und Hoogers (Kompetenzzentrum Brennstoffzelle) begleitet.
Als Klimaschutz-Modellprojekt ist eine ganzjährige Versorgung des Standortes mit lokal produzierten erneuerbaren Energien geplant. Dies soll durch Ausschöpfung der hohen PV-Potenziale in Kombination mit einer Wasserstoffproduktion als Speichersystem inklusive Rückverstromung durch stationäre Brennstoffzellen sowie als Treibstoff für Null-Emissions-Mobilität im Zero-Emission-Nationalpark Hunsrück-Hochwald möglich werden.
Der Umwelt-Campus kann diesbezüglich auf eine bereits sehr gut ausgebaute Infrastruktur zurückgreifen. Neben den PV-Dachanlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 480 kWp auf dem Hochschulgebäude sind bereits ein Solarcarport mit 96 kWp Leistung, ein Batteriespeicher mit 80 kWh, ein Energiemanagementsystem, ein breites Angebot an E-Ladeinfrastruktur sowie ein Brennstoffzellen-Testzentrum etabliert.
Ergänzt werden soll das Gesamtsystem nun durch weitere Solar-Carports mit einer Leistung von 870 kWp, weitere Batteriespeicher mit 780 kWh Speicherkapazität (beides finanziert durch den LBB Rheinland-Pfalz) sowie eine komplexe Wasserstoff-Infrastruktur, die im Rahmen des Klimaschutz-Modellprojektes durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Konkret ist folgendes geplant:
- Elektrolyseur (zur Gewinnung von Wasserstoff aus regenerativem Strom)
- drei stationäre Brennstoffzellen á 10 kW (zur teilweisen Rückverstromung im Bedarfsfall)
- Wasserstoffspeicher & Sauerstoffspeicher (Anlagenflexibilität)
- Wasserstoff-Bustankstelle & Wasserstoffbus (Nullemissionsmobilität im Nationalpark)
- Batteriespeicher (Speicherkapazität 820 kWh)
Die Herstellung von Wasserstoff aus Wasser und Strom mittels Elektrolyse ist bereits seit langem etabliert und wird in auch Zukunft durch die weitere Entwicklung von neuen Elektrolyseanlagen vorangetrieben. Auch in der Wasserstoff-Roadmap für Deutschland wird die Elektrolyse als zentrale Technologie zur Wasserstoffherstellung identifiziert.)1 Durch die hohe Produktion von emissionsfreier elektrischer Energie am Umwelt-Campus durch die PV-Carports bietet sich diese Produktionsart am Standort bestens an. Hierzu soll eine Elektrolysekapazität von insgesamt etwa 60 kW (ca. 1 kg H2 pro Stunde) installiert werden. Der Wasserstoff wird durch den Elektrolyseur mit regional produzierten erneuerbarem Strom hergestellt. Dieser Wasserstoff wird auf zwei verschiedene Weisen genutzt: für die Rückverstromung durch die Brennstoffzellen im Bedarfsfall und für den Einsatz eines Wasserstoffbusses für die Nationalpark-Region.
Um die Effizienz der Energiekette zur Rückverstromung zu erhöhen, wird bei einer Brennstoffzelle der Betrieb mit reinem Sauerstoff oder zumindest angereicherter Luft anstelle von Luft vorgesehen. In Laborversuchen im campuseigenen Kompetenzzentrum von Prof. Dr. Hoogers wurden an Sauerstoff betriebenen Brennstoffzellen Effizienzsteigerungen um 10% bzw. Leistungssteigerungen um 250% nachgewiesen. Da keiner der Hersteller hiermit bislang Erfahrung hat, erhofft sich der Umwelt-Campus, hiermit einen innovativen Ansatz zu demonstrieren, mit dem bei der Rückverstromung Effizienz- und Ertragssteigerungen möglich gemacht werden. Der notwendige Sauerstoff entsteht bei der Elektrolyse als Nebenprodukt. Dieser muss bis zur Nutzung gespeichert werden.
Da das Modellvorhaben den Standort Umwelt-Campus Birkenfeld als Ausgangspunkt für eine nachhaltige und klimaneutrale Mobilität im Nationalpark forciert, wird das System mit einer Wasserstofftankstelle kombiniert. Durch die Cross-Sektor-Kopplung werden somit weitere Potenziale gehoben und THG-Emissionen vermieden. Zudem ermöglicht das Projekt den bereits interessierten ÖPNV Unternehmen zukünftig die Realisierung von Null-Emissions-ÖPNV im Nationalpark voranzutreiben. Der Betrieb der Anlage über mehrere Jahre liefert Erkenntnisse, wie dezentrale Wasserstoffmobilitätssysteme künftig ohne Subventionen nachhaltig betrieben werden können.
Der bei der Elektrolyse anfallende Reinsauerstoff (Nebenprodukt) kann als kostbares Koppelprodukt in der Region verwendet werden. Hierfür wurde eine erste Einsparungsbilanz für den Einsatz des Reinsauerstoffes in einer nahegelegenen Kläranlage erstellt. Bei einem jährlichen Verbrauch von rund 280.000 kWh/a (2019) für die Abwasserreinigung lassen sich durch den Einsatz des Sauerstoffes rund 40% der Energie einsparen. Dadurch kann der Bezug von 110.000 kWh/a Netzstrom auf der Kläranlage eingespart werden, was sich positiv auf die Abwasserreinigungskosten auswirkt.
Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, den Erfolg, aber auch die Hemmnisse und Hürden, die während der Projektumsetzung und dem Anlagenbetrieb enstehen, nach außen zu tragen. Im Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit sind diesbezüglich zahlreiche Maßnahmen vorgesehen:
- Workshops und Informationsveranstaltungen für Multiplikatoren und Professionals mit dem Ziel, eine Übertragbarkeit an anderen Standorten zu initiieren
- Ortsbegehungen & Betreuung von Besuchergruppen
- Aufbau und Pflege einer Webseite
- Öffentliche Darstellung der Stromerträge, Emissionseinsparungen etc.
- Verknüpfung mit dem Umwelt-Campus durch Vorträge, Projektstudien oder Projekttage
- Vorträge auf Fachkonferenzen, Netzwerktreffen und kommunalen Veranstaltungen
- Einbindung in Forschung und Lehre am Umwelt-Campus Birkenfeld
Die VG Birkenfeld ist bereits Masterplan Gemeinde 100 % EE und setzt mit diesem Projekt ihre sehr erfolgreiche Klimaschutzpolitik der letzten Jahre fort. Das Wasserstoffprojekt der VG Birkenfeld am Umwelt-Campus Birkenfeld ist zudem ein Modell für eine gelungene und richtungsweisende Kooperation zwischen Kommune und Hochschule.
Mit dem H2Campus-Projekt soll in der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald ein Inkubator für den Einsatz und die Verbreitung von innovativer Wasserstofftechnologie entstehen. Das Vorhaben am UCB kann somit als Blaupause für nachhaltige und energieautarke Hochschul- und Gewerbestandorte in ländlichen Räumen und somit als nationaler Leuchtturm dienen. Ausgehend vom H2Campus Projekt soll in den folgenden Jahren aus der Region heraus die praktische Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Landes Rheinland-Pfalz demonstriert werden und die Verbandsgemeinde zu einer national bedeutenden Region für die ländliche Nutzung von Wasserstofftechnologien werden.